Dorf
Paretz als preußisches Musterdorf
Bald nach der Thronbesteigung erteilte Friedrich Wilhelm III. David Gilly den Auftrag, das geplante Musterdorf zu bauen. Die alten Kossätenhäuser wurden abgerissen und auf Kosten des Königs neu errichtet. So entstand eines von wenigen nicht nur konzipierten, sondern auch vollständig ausgeführten Projekten dieser Art um 1800 in Deutschland. Im sogenannten „Paretzer Skizzenbuch“ des Architekten sind die neuen Gebäude mit Grund- und Aufrissen, Fassaden- und Giebelansichten dargestellt.
Das neue Dorf bestand aus etwa zehn Bauernhöfen, die weitgehend einheitlich gestaltet waren. Eine Ausnahme machten die letzten beiden Gehöfte in Richtung zur Havel, die als Dorfausgang eine etwas reichere Ausstattung bekamen, zum Beispiel durch einen aufwändigen Zaun zur Straße mit breiter Toreinfahrt, flankiert von steinernen Pfeilern, die mit vier Putten verziert waren – drei von ihnen verschwanden nach 1945. Beim Neubau der Bauernhöfe wurde festgesetzt: die Stube im Giebel jedes Hauses musste für königliche Dienerschaft reserviert bleiben, in den Ställen war ausreichend Platz für die herrschaftlichen Pferde freizuhalten.
Zur bäuerlichen Grundausstattung kam eine ganze Reihe von Gebäuden mit besonderen Aufgaben. Das Amtshaus war – nach dem Schloss – das repräsentativste Gebäude des Ortes, bestimmt für den Pächter des Königlichen Gutes, der gleichzeitig die Funktion des königlichen Amtmanns hatte. Ebenfalls hervorgehoben, hier durch ein Vordach mit vier Holzsäulen: das Haus des Dorfschulzen. Verschiedenen praktischen Zwecken dienten der Schüttboden (mit bogenförmigen Einfahrten für die Kornfuhrwerke), das Spritzenhaus (für die Feuerspritze), die Leiterschauer (dort hingen die Feuerwehrleitern und die Feuerwehrschläuche wurden zum Trocknen aufgehängt) sowie die Mehlwaage. Ein Mehrfamilienhaus bot Platz für die Wohnungen von Leinewebern, Fischern, Müller, Tagelöhnern, Lehrern und für die Schulstuben; dieses Haus unterschied sich von den normalen Wohnhäusern durch ein in Farbe, Fensterform und speziellem Putz abweichendes Mittelteil. Zwei kleine Torhäuser rechts und links der Straße markierten den Ortseingang nach Osten; das eine enthielt hauptsächlich einen Schafstall, das andere die Wohnung des Schäfers. Eine Besonderheit war das Gotische Haus, eine optische Attraktion am Rande des Kirchgartens nach dem Muster englischer Staffagebauten – einst königliche Schmiede, um 1910 teils Dorfschmiede, teils Gaststätte, nach 1918 nur Gasthof und seit 1938 Restaurant und Biergarten in Familienbesitz.
Friedrich Wilhelm III. versuchte dafür zu sorgen, dass der Ort in Erinnerung an seine Frau möglichst unverändert bestehen blieb. Am 19. April 1833 erließ er ein entsprechendes Dekret, das Änderungen an Häusern und Dorfstraße untersagte und von allen Bürgern und Kossäten in Paretz unterschrieben wurde. Dennoch verlor das Dorf schon im Verlauf des 19. Jahrhunderts sein ursprünglich einheitliches Aussehen. Unterschiedlichste Erhaltungszustände waren anzutreffen. Manches, wie das Gotische Haus, blieb fast vollständig erhalten, anderes verfiel unbenutzt und unbeachtet. Gebäude wurden nach Bränden mehr oder weniger originalgetreu aufgebaut, zahlreiche Veränderungen an Außenputz, Dächern und Fenstern verfälschten den Gesamteindruck, ebenso wie zusätzliche Neubauten. Immerhin wurde schon bei ersten Untersuchungen in den 1970er-Jahren festgestellt, dass doch ein nennenswerter Teil der Originalsubstanz noch aufzufinden war, sodass die Bemühungen um denkmalgerechte Wiederherstellung daran anknüpfen konnten.
Nach ersten Anfängen in der DDR setzte seit 1989 eine beschleunigte Entwicklung ein: 1991/92 wurden Mehlwaage, Spritzenhaus und Leiterschauer wiederhergestellt, 1993/1994 die beiden Torhäuser, 1996 das Planteurhaus – ein schon vor 1797 vorhandenes Wohnhaus für die so genannten Planteure, Gärtner mit speziellen Aufgaben – und 1999 bis 2001 das Schloss selbst.
(Quelle wikipedia)